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Artiststatement Steffen Jopp vom 28.02.2025 um 20:27 Uhr
Das zentrale Motiv in meinen Arbeiten ist seit Beginn meine eigene Haut – als Membran, Oberfläche, Schutzschild und emotionaler Spiegel. Mich fasziniert und stört zugleich, dass dieses Organ mich einerseits schützt und von der physischen Außenwelt abgrenzt, mich aber dennoch oft schonungslos in Verlegenheit bringt.
In meiner Arbeit beschäftigt mich die Frage, ob Virtualität nicht ebenfalls ein Bestandteil der Wirklichkeit ist und ob Digitalität ohne technische Maschinen real existiert – möglicherweise seit jeher. Für mich gibt es zwischen diesen Feldern keine grundlegenden Unterschiede, ähnlich wie zwischen dem Innen und Außen von Räumen oder dem Übergang zwischen verschiedenen Orten.
Während ich mich durch mein Leben bewege, glaube ich, kontinuierlich wahrzunehmen, wie sich innere und äußere Zustände verändern. Im Moment des Durchdringens von Membranen, des Übertretens von Grenzen und Zonen.
Was ich damit meine, ist letztlich die sich ständig verändernde Abtastrate meiner Selbstwahrnehmung – als sei ich ein Sample, das von der Peripherie gelesen wird. Trifft ja auch im weiten Sinne zu.
Ich nehme meine Arbeit gleichermaßen wahr und produziere sie mit dieser Intention: als das Abarbeiten und Abtasten von Stationen, die von außen nach innen durch mich hindurchführen – und umgekehrt. Diese Themen setze ich in Videos, Soundarbeiten sowie in Objekten und Wandarbeiten um, die aus dünnen Edelstahlplatten bestehen.
Möglicherweise erscheint dieser Gedankengang unverständlich oder zu abstrakt. Doch was ich meine, ist, dass ich meine Haut als eine Art „Display“ betrachte und die verschiedenen Versionen unseres Selbst im Avatarismus verorte. Die skulpturalen Arbeiten und Bilder von mir entstehen aus diesem Konzept: Sie entstehen scherenschnittartig und durch Faltungen, sodass sie als „Interfaces“ mit realem Input gefüttert werden und daraus ein virtuelles Echo in den Raum werfen.
Für mich sind es auch „Visiere“, die Schutzräume für dahinterliegende Ebenen schaffen.
Eine zentrale Werkreihe trägt die Titel Schutz vor Verwundung und Ohne Spiegel leben. Letztere umfasst Fotografien und Collagen meiner eigenen Haut sowie großformatige Wandbilder, die mit MRT-Scans meines Schädels entstanden sind. Ich möchte eine neue, zeitgenössische Form des Porträts entwickeln, die dennoch tief in der Tradition der Porträtmalerei der Renaissance verwurzelt ist.
Meine freistehenden Skulpturen verstehe ich als Nervensysteme oder Venengeflechte, die Informationen in sich tragen und symbolisch den Übergang vom Anthropozän ins Technozän vollziehen. Bald wird nicht nur ersichtlich, dass wir Menschen die Erde nachhaltig verändern und umgestalten, sondern final auch, dass unsere Technologien sich zunehmend unserem Hoheitsgebiet entziehen.
Artiststatement Steffen Jopp dated February 28th, 2025 at 08:27 pm
From the very beginning, my work has centered on my own skin— as a membrane, surface, shield, and emotional mirror. I find it both fascinating and unsettling that this organ protects me and separates me from the physical world, yet at the same time, it exposes me—often mercilessly—leaving me vulnerable.
My practice is driven by the idea that virtuality is an inherent part of reality and that digitality can exist independently of technological machinery—perhaps it always has. I see no fundamental distinction between these realms, much like the fluid boundaries between interior and exterior spaces or the transitions between different places.
As I move through life, I sense a continuous shift between internal and external states. In crossing membranes, thresholds, and zones, I experience a constant recalibration of my self-perception—almost as if I were a sample being read from the periphery. In a way, that’s exactly what is happening.
I approach my work in the same way—producing it as a process of mapping and scanning, a sequence of stations leading through me from the outside in, and vice versa. These ideas materialize in videos, sound pieces, as well as objects and wall-based works made from thin stainless steel sheets.
This thought process may seem abstract, even elusive, but what I mean is this: I perceive my skin as a kind of "display" and see the multiple versions of ourselves that we inhabit as embedded within the concept of avatarism. My sculptural works and images emerge from this logic—they are shaped through cutout techniques and folding, functioning as “interfaces” that process real input and cast a virtual echo into the space.
At the same time, they act as "visors," creating protective zones for the layers behind them. One of my central series, Protection from Wounding and Living Without a Mirror, explores these ideas through photographs and collages of my own skin, as well as large-scale wall pieces derived from MRI scans of my skull. My aim is to develop a new, contemporary form of portraiture—one that remains deeply rooted in the traditions of Renaissance portrait painting.
I see my freestanding sculptures as nervous systems or vascular networks that store and transmit information—symbolizing the transition from the Anthropocene to the Techno-cene. It is becoming increasingly clear that we, as humans, are not only reshaping and transforming the planet but that, ultimately, our technologies will also evolve beyond our jurisdiction.
Man Ray, "Kiki with African mask", 1926, gelatin silver photograph, 21.1 x 27.6 cm (image), 22.1 x 28.5 cm (sheet),
National Gallery of Victoria, Melbourne,
Purchased through The Art Foundation of Victoria with the assistance of Miss Flora MacDonald Anderson and Mrs Ethel Elizabeth Ogilvy Lumsden, Founder Benefactors, 1983, PH137-1983, © Man Ray Trust. ADAGP/Copyright Agency
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Artiststatement Steffen Jopp vom 28.12.2023 um 22:55 Uhr
In meiner Arbeit präzisiere ich Formen der Selbstwahrnehmung und stelle sie einer nervösen Umwelt gegenüber. Daraus werden Identitätsschablonen, ähnlich zu Selbstporträts die in verschiedenen Techniken entstehen. Sie sind immer körpernah.
Diese Porträts funktionieren als universelle Verbundsysteme zwischen emotionaler Innenwelt, Traum und Wirklichkeit. Auch aus den Paradoxa von menschengemachter Umwelt und sozialer Interaktion.
Über die Jahre hat sich mein Werk von druckgraphischen Arbeiten auf Papier und Videoperformances immer weiter präzisiert und verdichtet. Inzwischen verwende ich für verschiedene Werkgruppen unterschiedliche Materialien. Aus dünnen, polierten Edelstahlblättern werden gefaltete, dünnwandige Körper, die an der Wand montiert sind.
Durch Einschnitte, händisches Falten und Verformen entstehen daraus Visiere oder Schutzschilde, die eine maskenhafte Erscheinung annehmen. Ihr Maßstab steht allerdings weit über dem menschlichen Maß. Sie sind spiegelpoliert. Deswegen verändern sie visuell den tatsächlichen Raum, in dem sie befestigt sind.
Zersplittern aber sogleich Informationen von außen, wie alle Subjekte und geben sie verkompliziert zurück.
Freistehende Skulpturen aus Aluminium, Kupfer oder Messing sind bioamorphe Skelette, die nackt und ohne Hülle im Innen- und Außenraum stehen.
Häufig benutze Materialien sind Metalle und Tierleder. Ich kann sie sehr zielgerichtet falten, biegen, brechen, verbrennen und zerkratzen.
Sie sind extrem belastbar, beständig und haltbar.
Auch Teil meiner Arbeit sind Fotografien vom eigenen Körper als flexibles Interface und Haut als Kommunikationsorgan. Die Motive sind wie Mikroskopien von Landschaften, direkt auf Rinderleder oder Kupfer gedruckt, teils abgekratzt oder mit Lösungsmitteln abgetragen.
Ich betrachte und beurteile ständig meine Umwelt und die Menschen um mich herum. Doch rücken die fertigen Werke oft in ein humanoides oder anthropomorphes Feld ab.
Die Arbeiten können sowohl als rau und altertümlich gelten, als auch schon immer als Teil von Zukunftstechnik und im Geist des Science-Fiction gelesen werden.
Mein Versuch ist es dann wiederum, diese in mein emotionales und weltliches System zurückzuholen.
Artist Statement Steffen Jopp dated December 28th, 2023 at 11:55 pm
Within my artistic practice, I refine modes of self-perception and juxtapose them with a volatile environment. Consequently, identity templates emerge, akin to self-portraits manifested through diverse techniques, always in close proximity to the corporeal realm. These portraits function as universal composite systems, bridging the emotional inner world, dreams, and reality, navigating the paradoxes inherent in the human-made environment and social interaction.
Over the years, my body of work has evolved from print graphic works on paper and video performances, continually honing its precision and density. Currently, various materials are employed across distinct thematic series. Thin, polished stainless steel sheets are transformed into folded, slender bodies mounted on the wall. Through incisions, manual folding, and deformation, they transform into visors or shields, assuming a mask-like appearance. Their scale, however, transcends human proportions. Perfectly polished to a mirror finish, they visually alter the actual space they inhabit, simultaneously fragmenting external information like all subjects, intricately reflecting it back.
Freestanding sculptures crafted from aluminum, copper, or brass constitute bioamorphic skeletons, standing naked and unencumbered within both interior and exterior spaces. Frequently utilized materials include metals and cowhide, manipulated with focused folds, bends, breaks, burns, and scratches. Exhibiting extraordinary resilience, durability, and endurance.
Integral to my body of work are photographs of parts of human bodies serving as a flexible interface and skin as a communicative organ. The motifs, resembling microscopic landscapes, are directly printed on cattle leather or copper, partially scraped or worn away with solvents.
I perpetually observe and assess my environment and the individuals around me. However, the completed works often veer into a humanoid or anthropomorphic domain. These creations can be perceived as rugged and archaic, yet equally as components of futuristic technology and within the realm of science fiction. My endeavor is then to reintegrate them into my emotional and worldly system.